Nachdem das Grün des Sommers komplett verschwunden ist, zieht es den gemeinen Rennradler im Winter des öfteren aufs grobstollige Mountainbike. Schon vergangenes Frühjahr hatten wir ausführlich Gelegenheit das Simplon Pavo auf Herz und Nieren zu testen. Daher sollte nun das neue Race-Hardtail der Österreicher für den allgemeinen Geländeradsport genauer unter die Lupe genommen werden.
Vergleicht man das Razorblade mit dem aktuellen Rennrad-Topseller Pavo, fallen einem sofort viele Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen auf. Man könnte fast meinen, Simplon hätte dem Pavo einen Satz breite 26 Zoll Reifen verpasst und nur mit einem neuem Namen versehen.
Viele Features, welches schon das Rennrad zum Verkaufsschlager machten, kommen nun auch am aktuellen Hardtail zum Einsatz. So setzen die Macher des Razorblade aus Hard an der österreichischen Ecke des Bodensees, ebenso auf die so genannten Hotmelt-Hochmodul-Kohlenstofffasern 40T und 47T von Toray, als auch auf das als Doppelkammer ausgeführte Unterrohr und das speziell geformte Hinterbausytem Namens Vibrex, welches bei allem Drang nach Steifigkeit an den neuralgischen Punkten, dennoch ein wenig Komfort bieten soll. Der nackte Rahmen bringt ein Gewicht von knapp unter 1000 Gramm in Rahmengröße 49cm auf die Waage und markiert damit, neben einigen weiteren Top-End Hardtails anderer Hersteller, ein noch vor kurzer Zeit nicht mögliches Topgewicht bei Hardtails. Und dies, wie der vierwöchige Praxistest zeigte, ohne Kompromisse in Sachen Steifigkeit und Fahrstabilität eingehen zu müssen.
Auffällig sind darüber hinaus die Ausfallenden aus Kohlefaser, welche an der Antriebseite mit einem wechselbaren Aluminium-Inlay das Schaltwerk SRAM X0 in der aktuellen 20th Anniversary-Ausführung aufnimmt. Beide Seiten werden zusätzlich mit Aluminium vor vorzeitigem Versagen geschützt. Eines der vielen kleinen Details des Rahmens, welche diesen rund 300 Gramm leichter machen als den Bruder Gravity aus gleichem Hause. Bedient wird das Schaltwerk und der Shimano XT Umwerfer an der Front übrigens von hervorragenden Drehgriffen, ebenfalls aus der X0 Serie der Amerikaner aus Chicago. Knackige und exakt sitzende Gangwechsel, welche man von einem Racebike dier Klasse erwarten kann.
Auf der linken Seite der Kettenstrebe wird die Magura SL Scheibenbremse auf einem aufgenieteten Aluminium-Adapter montiert, der zusätzlich die eingeleiteten Kräfte über eine Verbindungstrebe zwischen Ketten- und Sitzstrebe verteilt. Eine technisch, wie auch optisch, ansprechende Lösung.
Wandert man weiter die Kettenstrebe entlang, trifft man nach 425 mm auf den äußerst massiv ausgelegten Tretlagerbereich des Razorblade. In diesem Bereich nimmt eine Truvativ Noir Kurbeleinheit die Beinarbeit des Fahrers auf und leitet diese über eine Shimano DuraAce Kette und einer Shimano XTR 12-34 9-fach Kassette auf den Freilauf des Mavic SLR Hinterrades. Allesamt solide Komponenten.
Gerade die Laufräder machten in unserem Test eine sehr gute Figur. Mit rund 1575 Gramm keine Fliegengewichte, lassen sie sich aber dennoch spielend beschleunigen und bringen zusätzlich die nötige Steifigkeit mit, um es auch mal richtig krachen zu lassen.
Leider setzten die montierten neuen Schwalbe Furios Fred in der 2.0 Zoll UST-Tubless Ausführung dem Drang nach Geschwindigkeit ein jähes Ende. Schwalbe spricht selbst davon, dass der Grip begrenzt und das Pannenrisiko hoch ist. Leider zu hoch! Der Grip ist in weiten Teilen noch ausreichend, aber gerade das Pannenrisiko schwebt bei jeder Ausfahrt wie ein Damoklesschwert über dem Fahrer. Nach den ersten drei Ausfahrten hatten wir an beiden Reifen Totalschaden zu vermelden. Erst der Wechsel auf Latex-Schläuche und danach auf Reifen mit anständigem Grip brachten den erhofften Fahrspaß zurück. Ein Trauerspiel an Reifen, bei dem sich uns der wirkliche Sinn eines solchen UST Reifens verschließt, wenn man diesen grundsätzlich nur mit Schlauch oder Tubless-Milch fahren sollte. Etwas weniger Fokussierung auf Superlative würde hier Sinn machen, denn schon so manche Reifenpanne rückte den sicher geglaubten Sieg in weite Ferne…
Aber zurück zu den weiteren Komponenten. Diese sind durch das Baukastensystem von Simplon gut auf die eigenen Bedürfnisse, anatomische Gegebenheiten und schlussendlich auch auf den eigenen Geldbeutel anpassbar. Unser Testrad wurde in der Simplon internen Ausstattung Namens SSL geliefert. Anstatt einer Federgabel kommt hier der Einsatz einer DT Swiss XXR Starrgabel zum Tragen, welche den Ritt auf der sprichwörtlichen Rasierklinge erst so richtig perfekt macht. Der Fahrer wird bei jeder Ausfahrt ständig über die Beschaffung des Untergrundes auf dem Laufenden gehalten und bekommt das Gefühl der frühen Neunziger – wo Federgabeln noch Mangelware waren – direkt und ohne Verzögerung an die Schaumstoffgriffe geliefert. Diese sind auf einem Simplon-Hauslenker 620 OSX aus dreifach konifiziertem Aluminium montiert. Ein Syncros Vorbau, wie er auch schon auf dem Pavo montiert ist, hält Kontakt zum Gabelschaft.
Ebenso wie der Syncros Vorbau an der Front des Pavo, komplettieren die Österreicher das Razorblade mit der hauseigenen Kohlefaser Sattelstütze. Obenauf trohnt in der Serienversion des SSL ein Selle Italia SLR Kit Carbonio. Am Testrad war indes ein SLR XC montiert, welcher neben dem weitaus höheren Gewicht, ansonsten aber nicht weniger Sitzkomfort bot, wenn man sich denn mal in den Sattel setzen musste.
Denn gerade das Fahren im Wiegetritt bergauf ohne lästiges Wippen an Front und Heck, oder das Surfen im Stehen auf engen Trails bergab machen mit dem Razorblade jede Menge Spaß. Durch den äußerst steifen Rahmen und das geringe Gesamtgewicht von nur 7.7 Kilogramm lässt sich das Rad spielend um noch so enge Kurven zirkeln. Durch den Einsatz der schmalen und schwach profilierten Reifen brachte sogar der Einsatz auf Asphalt eine Erinnerung an vergangene Rennradausfahrten im Sommer zurück. Trotzdem gehört das Razorblade auf die Trails dieser Welt, sei es bei der Trainingsrunde in den heimischen Gefilden oder bei der eigentlichen Bestimmung – Cross Country Rennen. Durch die auf Vortrieb ausgelegte Geometrie bringt das Rad die nötige Laufruhe mit, um auf schnellen Kursen richtig Dampf zu machen, ohne dass man in verwinkelten Streckenabschnitten die Spritzigkeit vermisst. Ein ausgewogenes Handling macht das Razorblade nahezu in allen Situationen leicht beherrschbar, hier setzen eindeutig die aufgezogenen Reifen den limitierenden Faktor.
Das Razorblade wird in fünf Grundausstattungen angeboten. Vom Razaorblade X9, mit Sram X9 Schaltkomponenten und einer RockShox Rebe Race Federgabel ab 2.699 Euro, bis zum Topmodell MRS mit kompletter Shimano XTR Ausstattung und einer FOX F100 RLC an der Front ab 4.599 Euro. Unser Testbike mit Starrgabel und den beschriebenen Teilen kommt auf 4.499 Euro Listenpreis. Die genauen Ausstattungslisten findet man übrigens auf der Simplon-Website. Weitere Optionen bei jedem Rad, ist die Wahl aus verschiedenen Laufrad- und Gabelmodellen, Scheibenbremsen und Vorbau-Lenker Kombinationen mit verschiedenen Winkel und Breiten. Auf den Rahmen gewährt Simplon 5 Jahre Garantie.
Schwarz ist die dominierende Farbe am Razorblade. Dennoch setzen gerade die Mavic SLR Laufräder und der dezente Einsatz von Dekorstreifen einige farbliche Akzente.
Simplon setzt bei seinen Topmodellen auf unidirektionale Kohlefasern, sprich man verzichtet zugunsten höherer Festigkeit auf die übliche gewobene Deckschicht aus Kohlefasermatten.
Wie schon auf dem Oberrohr des Simplon Pavo kommt auch beim Razorblade der Leitspruch „You can do it!“ zum Tragen. Gerade bei den derzeitigen Wetterverhältnissen im milden Winter eine nicht außer Acht zu lassende Motivationshilfe.
Das 3FT-Logo am Sattelrohr deutet auf die Kombination aus Monocoquebauweise, Muffentechnik und Rohr-zu-Rohr Verbund hin.
Fazit: Ähnlich wie beim Rennrad-Topmodell ist es Simplon auch beim Hardtail gelungen, ein wirklich tolles Race-Bike auf die Räder zu stellen. Leicht, steif, schnell und wendig, das sind die Hauptattribute die jeden Vollblutracer ins Schwärmen bringen. Das große Manko der katastrophalen Schwalbe Reifen lässt sich durch Simplons Baukastensystem schnell und unkompliziert durch einen Wechsel auf deutlich haltbarere Reifen beheben und bringt den Spaß auf den Trails erst richtig zum Tragen. Und gerade in der starren Ausführung des Razorblade SSL mit DT Gabel kommen Erinnerungen an die Anfänge des Mountainbikens hoch, wo es noch richtig auf Fahrtechnik und Koordinationsvermögen ankam, wo keine 120 mm an der Hardtailfront die Wellen bügelten und von Fullsuspension nicht einmal die Rede war. Back to the roots – der Ritt auf der Rasierklinge…