Freude am fahren…
…auch für Radsportfreunde.
Der Automobilhersteller BMW hat nun eine komplette Bikelinie auf den Markt gebracht. Vom Damenrad über einen Cruiser bis hin zu zwei Top ausgestatteten Mountainbikes. Genau letztere beiden sollten wir uns einmal näher ansehen und so stellten uns die Bayern das „Cross country“ und das „Enduro spezial“ für fünf Testwochen zur Verfügung.
Dabei handelt es sich, wie die Namen schon erahnen lassen, um zwei vollkommen unterschiedliche Bikes. Da uns neben dem Leichten auch das Exquisite und Extravagante magisch anzieht, wollten wir neben dem „Cross country“ auch unbedingt das „Enduro“ zum Vergleichstest heranziehen, um die jeweiligen Einsatzbereiche genau ausloten. Bei den beiden Rahmen hat BWM tief in die eigene Trickkiste gegriffen, und verbaut keine zugekauften Grossserienrahmen. Der Hauptrahmen des Enduros ist eigens im BMW-Werk aus zwei Halbschalen zusammengeschweißt. Die beiden Halbschalen sind wiederum per Hydroforming tiefgezogen. Die Schwingenaufhängung des Viergelenkers ist als Frästeil gefertigt. Der Rahmen des Racers ist einfacher gefertigt, aber nicht weniger auffällig. Der Hauptrahmen ist zwar konventionell zusammengeschweißt, fällt aber durch sein spezielle geformtes und gebogenes Oberrohr und die in Kupfer eloxierten, massiv wirkende Umlenkwippen mit eingelassenem BMW-Logo auf. Leider ist der Rahmen mit ca. 3,4kg für den angedachten Einsatzbereich nahezu inakzeptabel schwer. Selbst günstige Großserienhersteller schaffen hier mal schnell ein Kilo weniger.
Doch zuerst einmal zu den nackten Fakten der beiden Bikes:
Beide Räder, bereits verwendete Testbikes, kamen fertig montiert und gut eingestellt in unserer Redaktion an. Lediglich die Züge und Leitungen der beiden Bikes musste ich ein wenig kürzen, da diese für meine Verhältnisse sehr lang gelassen wurden und ich Angst hatte auf meinen engen Haustrails irgendwo hängen zu bleiben. An der Vorbauklemmung des Enduros entdeckte ich leider einen Haarriss. BMW sorge umgehend für Ersatz. Es bleibt zu hoffen dass mit dem Endkunden genauso verfahren wird.
Die doch recht bunte Ausstattung von Antriebs- und Schaltung mit Sram, Shimano, FSA und Magura beim Cross Country lässt einem Costum-Aufbauer wie mir ein wenig das Herz bluten, erweist sich im Betrieb aber als durchaus hoch funktionell. Das Enduro ist dagegen komplett mit der aktuellen XTR-Gruppe ausgestattet. Obwohl die XTR Anfangs als Race-Gruppe konzipiert ist, passt sie optisch sehr gut zu einem kräftigen Enduro und lässt auch zu keinem Moment Schwächen vermuten. Bei den Laufrädern ist etwas Seltsames passiert. Hier ist an beiden Bikes der gleiche Laufradsatz mit identischer Bereifung verbaut. Der Kenner braucht nicht lange um festzustellen, dass hier entweder an einem Bike etwas zu viel ist oder am anderen fehlt.
Kurzerhand zogen wir dem Enduro neue Schuhe an und verbauten statt der dünnen 2,1er Leichtreifen dicke 2,3er Conti Explorer UST. Diese Maßnahme schlägt zwar mit 350 Gramm Mehrgewicht zu Buche, belohnt aber mit deutlich mehr, dem langen Fahrwerk ebenbürtigen, Fahrspaß. Wer schon mal mit 1,7 Bar in breiten UST-Reifen durch Trails gejagt ist, kennt die Vorzüge gegenüber schmaleren reifen bei 2,5 Bar im Schlauch…
Bei der Federung wird komplett auf Manitou gesetzt. Die R7 Platinum mit Lenkerlockout ist leicht und schnell eingestellt, Zugstufe, Luftdruck nach Gefühl; passt – und ab die Post. Bei Bedarf kann die Gabel per Lenkerhebel blockiert werden. Beim Hinterbaudämpfer geht es nicht ganz so schnell. Hier gilt es den richtigen Luftdruck der Plattformdämpfung zu finden um den Hinterbau frei von Antriebseinflüssen zu bekommen. Ist diese Einstellung nach kurzen Testfahrten gefunden, ist absolut keine manueller Lockout notwendig. Bergab stehen dennoch die vollen 100mm sensibel zur Verfügung.
Bei dem Enduro nehme ich mir für die Abstimmung der Federung etwas mehr zeit um das Optimum aus dem Fahrwerk herauszuholen. Die Nixon Platinum mit Instrink-Dämpfung und IT-Federwegsabsenkung bietet viele Einstellmöglichkeiten. Luftdruck, Zugstufe und die Progression der Druckstufe. Sonst ist man es ja eher gewohnt die Druckstufe für den gesamten Federweg zu justieren. Mit „Intrinsic“ ist das anders und meiner Meinung nach sogar effektiver – zumindest in diesem Einsatzbereich. so kann man die Gabel extrem sensibel einstellen ohne dass sie beim Einfedern wegsackt oder gar durchschlägt. Ein weiteres interessantes Feature ist die „Infinite Travel“ Verstellung. Damit kann man vom Lenker aus, die Gabel auf 35mm straffen Restfederweg ablassen. Dadurch senkt sich die Front um ganze 11cm an und die perfekte Kletterposition für steile Anstiege scheint gefunden. Leider nur theoretisch. Durch die resultierenden 5 Grad Winkeländerung im Fahrwerk sitzt man plötzlich über oder schon vor der Kurbelachse und hat das Gefühl nicht mehr ausreichend Druck aufs Pedal zu bringen und ineffizient zu treten. Am Cross Country könnte ich mir diese Gabelfunktion mit weniger Federweg allerdings als sehr effektiv vorstellen.
Der Hinterbaudämpfer lässt das Heck das Enduros sehr fein arbeitet und vom kleinen Kiesel bis zum großen Brocken alles schlucken – eine sehr weiche Einstellung vorausgesetzt. Spätestens im nächsten Gegenanstieg verflüchtigt sich das in der Abfahrt gesammelte Adrenalin wieder. Die voreingestellte Plattform des Dämpfers kennt nur auf oder zu, wobei das Heck in der geschlossenen immer noch deutlich wippt. Senkt man nun noch die Gabel ab, ist man schnell geneigt lieber zu schieben. Hier würde eine mehr einstellbare Plattform Wunder wirken.
Über die Antriebskomponenten an beiden Bikes brauche ich ja kaum noch was berichten. Sram Schaltung und FSA Kurbel funktionieren gut und knackig zusammen. Von der XTR am Enduro war ich von Anfang an begeistert, satt und knackig geschaltete Gänge bei geringen Handkräften. Sowohl die Marta als auch die XTR Disc verrichten ihren Dienst klaglos und hoch effizient. Durch die vorne verbaute große 180er Scheibe habe ich beide Bremsen nicht annähernd an ihre Grenzen bringen können. Einzig das Knacken der zweiteiligen XTR Bremsscheiben beim abkühlen sorgt zunächst für etwas Irritation. Dieser Effekt erweist sich aber durch die Materialpaarung Alu/Stahl als physikalisch erklärbar und absolut unbedenklich.
Die Sitzzone ist bei beiden Bikes weitestgehend gleich. Platz nimmt man auf dem äußerst bequemen Fizik Gobi gestützt von einer Ritchey WCS Stütze, geklemmt von einem Sattelschnellpanner. Am Cross Country im sportlichen Einsatz absolut überflüssig, am Enduro gerne genommen wenn auch von mir kaum genutzt. Hier ist, um den Dämpfer zu schützen noch eine Klemmschelle um die Stütze gelegt um sie nicht unbeabsichtigt bis in den Schwenkbereich das Federelements zu versenken. Die komplette Ritchey WCS Steuerzentrale des Racers passt gut an das Bike und gilt ja schon lange als Referenz für Preis-Leistung. Am Enduro hingegen findet sich zwar ein hochwertiger Cane Creek Steuersatz aber Lenker und Vorbau von X-Taz-Y wirken an dem sonst hochwertig Bike etwas deplatziert. Leider fällt der Lenker für diesen Einsatzbereich mit gerade mal 600mm zu schmal aus. 30-50mm mehr scheinen hier sonst Standard zu sein. Bei dem Vorbau handelt es sich im Sportsegment extrem seltenes Exemplar – ein winkelverstellbarer und ganze 120mm langer Vorbau. In diesem Preissegment sollte es möglich sein, Vorbau und Lenker beim Händler individuell anzupassen. Diese beiden Komponenten passen rein technisch und optisch nicht zu diesem Bike, da nützt auch die spezielle Ahead-Kappe mit eingelassenem BMW-Logo nichts.
Wie schon erwähnt ist an beiden Bikes der Crossmax ST Laufradsatz verbaut. Keine schlechter Kompromiss für beide Einsatzbereiche aber ein Crossmax SLR für das Cross Country und ein Crossmax XL für das Enduro wären sicherlich vertretbar gewesen und hätten die Bikes nochmal deutlich aufgewertet und ihre Orientierung nochmals unterstrichen. Die gescheiterte Reifenwahl am Enduro hatte ich bereits bemängelt. Erst die breiten Reifen machte das Gerät für diesen Bereich vergleichbar.
Aber wie fahren sich die beiden Geländeboliden denn nun? Zunächst einmal sollte ich erwähnen dass ich doch recht oft mit meinem starren Singlespeeder die örtlichen Wälder unsicher mache und nun plötzlich voll gefederte Bikes die reinste Offenbarung darstellen. Doch erst einmal musste ich die Spacer über den Vorbau setzen und selbigen umdrehen um meine gewöhnte Sattelüberhöhung zu bekommen. Ganz einfach fiel mir die Entscheidung nicht, welches ich zuerst durch den Wald scheuchen sollte. Ich entschied mich für das Cross Country um erstmal klein anzufangen. Schon im ersten Anstieg vermisse ich freudig das erwartete Wippen des Hinterbaus. Auch kräftige Antritte aus dem Sattel ändern daran nichts. Ein wenig merkt man hier das verhältnismäßig hohe Gewicht, immerhin fast 5 Kilo mehr als mein „kleines Schwarzes“. Deutlich langsamer fühle ich mich dadurch jedoch nicht. Endlich im Trail angekommen lohnt es sich das Mehrgewicht den Berg hochgefahren zu haben. Die Federung harmoniert, der steife Rahmen tut sein Übriges. Mühelos zirkelt man um enge Kurven und bügelt kleinere Downhills glatt. Es folgen mehrere lange Touren bei denen die Federung zwar gut an Körnern spart, aber die 12,1kg mit zunehmendem Kilometerstand immer mehr unangenehm auffallen.
Negativ fiel mir noch die spezielle Form des Oberrohres auf. Zweifelsohne gehöre ich zu den auf dem Bike recht aktiven Fahrern. Dadurch stieß ich in anspruchsvollen Passagen immer wieder mit dem Knie und dem Oberschenkel gegen das zur Seite kantige Oberrohr. So etwas hätte schon beim Konstruieren auffallen müssen. Auf Grund des hohen Gesamtgewichtes und der doch recht soliden Komponenten gehört dieses Bike heutzutage eher in die Sparte der zuverlässigen Tourer. Auch das Enduro wurde ausgiebig bewegt. Zwar sparte mich mir damit Touren über 60km, aber um noch mal für ein-zwei Stunden im Wald spielen zu gehen wurde es des öfteren herangezogen.
So mühsam sich das, leider doch wippende Bike den Berg hoch hieven ließ, so sehr machte es auch bergab Spaß. Es passierte auf einem mir gut bekannten Downhill meiner Hausstrecke, als ich mich versteuerte und das Bike aber gerade noch abfangen konnte. Da wurde mir endlich mal bewußt, wie viel schneller ich auf diesem Rad bergab unterwegs bin. Auch an diesem Bike fällt das recht hohe Gesamtgewicht von fast 14kg auf. Der wippende Hinterbau trübt das Tourvergnügen zusätzlich. Im Gegenzug fällt die Federung, wenn man sie braucht, durchaus positiv und schluckfreudig auf. Die Lackierung am Enduro scheint indes sehr empfindlich zu sein, da sie bereits durch hoch geschleuderte Steinchen oder das Anlehnen zum Abplatzen neigt.
Die Bikes gibt es in folgend Varianten:
Cross country:
Größen 45, 50, 53cm.
Preis 4299€
Rahmenfarbe: Silbergrau/kupfer
Enduro Spezial
Größen 46, 51, 54cm
Preis: 4799€
Rahmenfarbe: „Pheonix Yellow“/schwarz
Es gibt auch noch das günstige Modell „Enduro“ für 2699€ mit gleichem Rahmen, aber günstigerer Ausstattung.
Fazit: Alles in Allem bleibt deutlich, dass es sich hier nicht Räder eines langjährigen Bikeproduzenten, sondern um einen erfolgreichen Automobilhersteller mit ausgedehnter Lifestyle-Sparte handelt. Bei den Fahrtests merkt man deutlich dass Mountainbikes schon lange zu BMW Repertoire zählen, sie legen beide ein deutlich ausgewogenes Fahrverhalten an den Tag was auf Anhieb passt. Dennoch gibt es an zu vielen Punkten andere Hersteller, die es besser machen. Das Cross Country wäre für den Wettkampfeinsatz zu gemäßigt und deutlich zu schwer, eignet sich jedoch sehr gut als solider Tourer. Am Enduro fällt zunächst die gute Federung auf. Diese ist es leider auch, die bergauf den Fahrspass trübt. Bewegt man das Bike fast ausschließlich im groben Gelände und umgeht kniffelige und steile Anstiege so wird es sehr schnell zu guten Freund.
Billige X-Taz-Y Komponenten haben an einem solchen Rad über 4500€ allerdings nichts mehr zu suchen. Beide Bikes sind also durchaus fähige Gefährten, dennoch für den Preis in der Ausstattung noch optimierungsbedürftig um zum Kauftipp zu avancieren. Aus unserer doch recht sportlich orientierten Warte gesehen, haben wir die Vermutung, dass viele unserer Kritikpunkte aus der fehlenden festen Orientierung des jeweiligen Bikes stammen. So sind sie leider für den leistungsorientierten Sportler an eigenen Stellen nichts Halbes und nichts Ganzes. Der Austausch nur weniger Komponenten würde hier Wunder wirken…