Nach der Firmenvorstellung soll es nun um den Rahmen an sich gehen. Bei Titanrahmen mit typischerweise etwas höherem Preis, erwartet man natürlich eine entsprechende Verarbeitung. Wird Rewel diesem Anspruch gerecht? Um das beurteilen zu können schaut man meist zuerst auf die Schweißnähte. Erfahrungsgemäß zeigen sich hier große Qualitätsunterschiede zwischen den Herstellern. Diese können sich bei Rewel wirklich sehen lassen. Vor der Besichtigung der Produktion war es undenkbar, dass solch feine Nähte nicht automatisiert hergestellt werden können. Die Nähte tragen keinen Millimeter auf und Unregelmäßigkeiten findet man einfach keine. In dieser Qualität erwartet man die Ausführung der Nähte, aber nur bei wenigen Herstellern wird diese Erwartung auch erfüllt. Das Niveau steht aber extrem teuren Rahmen in nichts nach.
Sehr schön sind auch die zahlreichen Arbeiten an den Rohren zu erkennen. Gebogene Sitzstreben gehören bei Rewel zum Standard und werden aus gutem Grund nur widerwillig nicht eingebaut. Mit den gebogenen Streben erreicht man eine gewisse Flexibilität des Hinterbaus in vertikaler Richtung. Kleinere Vibrationen werden wunderbar abgedämpft und sorgen für ein sehr geschmeidiges Fahrverhalten. Weiterhin finden sich an vielen Rohren homogene Konifizierungen, Ovalisierungen und Biegeradien. Gerade diese Verformungen verlangen bei Titan viel handwerkliches Geschick.
Umso mehr erstaunt hier die Güte wie sie bei Rewel ausgeführt wird. Interessant ist der Aufwand mit dem Rewel gegen den Makel der mangelnden Steifigkeit ankämpft, welcher Titanrahmen des Öfteren angehängt wird. Durch verschiedene Materialfestigkeiten im Rahmendreieck, Hinterbau und der Tretlagerhülse wird eine erhöhte Steifigkeit genau dort erzeugt wo sie gebraucht wird. Durch die gebogenen Sitzstreben ergibt sich ein vertikal komfortables und seitlich erfreulich steifes Fahrwerk – titantypisch weich ist hier nichts.
Diese Eigenschaften werden durch die für Titanrahmen recht großen Rohrdurchmesser erreicht, wobei natürlich die Wandstärken entsprechend geringer ausgeführt sind. Superleichte Rahmen wird man in Südtirol trotz allem nicht anbieten. 100g mehr zu Gunsten der Steifigkeit und den damit verbundenen Fahreigenschaften wird der Kunde nach wenigen Metern zu schätzen wissen. Rewel gewinnt diesen Kampf gegen das Image also klar nach Punkten.
Ein Highlight sind sicherlich die schön ausgefrästen Ausfallenden, die es in verschiedenen Ausführungen gibt. Am Testrahmen sind Ausfallenden mit Diskaufnahme verbaut, dem Endkunden wird hier die Wahl zwischen Disk und Felgenbremse gelassen – ganz Unentschlossene bekommen Ausfallenden mit angeschraubter Diskaufnahme. Ebenfalls können Rohloffnaben-Besitzer die passenden Variante für die Getriebenabe aus Kassel wählen.
Im Sattelrohr und im Steuerrohr werden Ergal-Hülsen eingeklebt, auch um Kontaktkorrosion mit dem Steuersatz und der Sattelstütze zu verhindern. Durch diese Hülsen können verschiedene Sattelstützendurchmesser realisiert werden, da immer der gleiche Rohrdurchmesser am Sattelrohr verwendet werden kann, was letztendlich hilft den Preis in vertretbaren Dimensionen zu halten.
Nicht nur die Rahmenabmessungen und der Sattelstützendurchmesser sind frei wählbar. Die Form des Steuerrohres und die Zuganschläge/Zugführungen sind ebenfalls individuell anpassbar. So werden z.B. auch Fahrer von Cannondale Headshok Federgabeln bedient.
Der Hang zur Perfektion zeigt sich Details wie der Entwässerungsfräsung unter dem Tretlager, den eingefrästen Schriftzügen „Rewel“ und „Made in Italy“ sowie den sandgestrahlten Rahmenbeschriftungen. Letztere können bei Rewel auch erneuert werden und sogar der Name des stolzen Besitzers wird auf Wunsch am Oberrohr verewigt.
Trotz allen Glanzpunkten finden sich kleine Kritikpunkte. Das Finish um die Schweißnähte des Hinterbaus ist nicht ganz perfekt gearbeitet. Die Cantisockel müssten auch nicht aus Stahl sein, aber beides lässt sich schnell abändern. Mit der passenden Schleifwolle kann man das Finish schnell nacharbeiten und die passenden Titancantisockel finden sich bei diversen Tunern im Sortiment.
In einer Rahmengröße, die etwa 18″ bei einem 580mm Oberrohr entspricht, wiegt der Rahmen mit Cantisockel und Standardsteuerrohr 1444g. Es geht sicherlich leichter, aber man versicherte uns, dass ein leichterer Rahmen Abstriche beim Fahrverhalten bedeuten würde und wir uns erstmal von diesem überzeugen sollten.
Beim Aufbau des Rades wurde versucht alle Teile eines erprobten und gewöhnten MTBs zu verwenden. Nur der Rahmen an sich und die Sattelstütze wurden ersetzt. Da der Titanrahmen einen anderen Maßrahmen ersetzt, ändert sich auch die Geometrie nicht und wir können alle Auffälligkeiten auf den neuen Rahmen zurückführen.
Auffälligkeiten gab es ab der ersten Ausfahrt erstaunlich viele. Das Rad beschleunigt erstklassig. Es auch bei sehr harten Antritten keine störende Verwindung des Tretlagerbereichs zu spüren. Jeder Tritt wird spürbar direkt in Vortrieb umgesetzt. Hier zahlen sich die großen Rohrdurchmesser merklich aus. Das Steuerrohr und die Sitzstreben zeigen ihre hohe Stabilität deutlich. Sie erzeugen ein sehr präzises Lenkverhalten bzw. einen fast ungewohnt definierten Druckpunkt der V-Brake am Hinterrad. Solche Eigenschaften begeistern und man versucht instinktiv neue Grenzbereiche auszuloten.
Sehr angenehm machen sich die gebogenen Sitzstreben bemerkbar. Für den gewohnten Hardtailfahrer bieten sie einen angenehm unauffälligen Komfort. Kleine Unebenheiten werden nahezu komplett geschluckt, ohne auch nur ansatzweise an ein schwammiges Fahrwerk zu erinnern.
Durch die hohe Steifigkeit in allen Lebenslagen gepaart mit den konstruktiv gesteuerten Komfort werden die 100g – 200g Mehrgewicht sehr schnell nebensächlich, denn der Rahmen ist einfach schnell. Er bietet sich für Fahrer mit und ohne Rennambitionen gleichermaßen an. Auf beiden Gebieten hat der Rahmen Stärken. Über 15 Jahre Erfahrung im Rahmenbau machen sich hier bemerkbar.
Sollte der Rahmen durch Unfälle oder ähnliche Umstände Beschädigungen aufweisen, ist Rewel bemüht diese zu beheben. Der Austausch einzelner Streben und Rohre ist ebenso wenig problematisch wie das Ändern der Zugführung oder anderer Details. Dazu muss der Rahmen zwar nach Südtirol gesandt werden, aber man erhält schnell seinen gewohnten Rahmen in neuwertigem Zustand zurück.
Nach über 1000 Trainingskilometern und den ersten Rennen des Jahres mit diesem Rahmen, können wir ein kleines Fazit ziehen. Rewel stellt durch jahrelange Erfahrung einen Rahmen her, der in jeder Lebenslage überzeugen kann. Souveräne Fahreigenschaften heben ihn von anderen Rahmen ab, machen das Mehrgewicht vergessen und sind den Kaufpreis von ca. 1800€ allemal wert.
Wir werden das Rad weiterhin im Training, im Alltag und bei Rennen einsetzen und weiter berichten.